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Leitfaden für Privatanleger

Traditionelle Anlageklassen & Diversifikation

Zuletzt aktualisiert: 24.06.2023

Um für den langfristigen Erfolg des Investment-Vorhabens zu sorgen sowie vor allem auch kurz- und mittelfristige Verluste soweit es geht zu minimieren und damit das Risiko zu managen, schauen wir uns  im Folgenden eine Übersicht über die verschiedenen traditionellen Anlageklassen an. In diesem Zusammenhang geht es vor allem um die Anlageklasse Aktie und Aktienfonds, insbesondere ETFs. In beiden Fällen ist eine durchdachte und individuell angepasste Strukturierung im Rahmen einer ganzheitlichen Strategie notwendig. Das Stichwort ist hier Diversifikation.

Welche traditionellen Anlageklassen gibt es?

Anlageklassen betrachten wir vor allem vor dem Hintergrund der Volatilität, also des Grades der Kursschwankungen, sowie im Bezug auf das Risiko von Verlusten bis hin zum Totalverlust. 

Im Grunde gibt es drei große traditionelle Anlageklassen: Aktien, Anleihen und Bargeld.

Was ist eine Aktie?

Eine Aktie ist ein verbriefter Anteil an einem Unternehmen. Ein Aktieninhaber, der Aktionär, ist also Miteigentümer eines Unternehmens. Er hat in der Regel Vermögens- und Mitspracherechte, kann also an Hauptversammlungen teilnehmen und hat das Recht auf eine Gewinnbeteiligung, die Dividende, wenn das Unternehmen diese grundsätzlich zahlt (vor allem junge Unternehmen schütten keine Gewinne aus, sondern reinvestieren diese direkt wieder). Da der Aktionär Miteigentümer ist, erfreut er sich auch an einer Steigerung des Unternehmenswertes, ausgedrückt in einer positiven Entwicklung des Aktienkurses. Aktien bieten große Renditepotenziale, allerdings sind sie sehr volatil und risikoreich, auch Totalverluste sind drin.

Die Anleihe als Schuldverschreibung

Eine Anleihe ist eine Schuldverschreibung gegenüber einem Unternehmen oder Staat. Das bedeutet, man stellt einem Unternehmen oder Staat Geld zur Verfügung. Dafür erhält man Zinsen. Nach Ende der festgelegten Laufzeit, in der Regel mehrere Jahre, bekommt man sein zur Verfügung gestelltes Geld zurück (Tilgung). 

Anleihen bieten in der Regel weniger große Renditepotenziale als Aktien, sind dafür aber weniger volatil und risikoreich. Das trifft insbesondere auf Anleihen von Schuldnern, die ein gutes Rating haben, zu.

Bargeld als sichere Anlageklasse

Unter Bargeld verstehen wir in erster Linie nicht die Geldscheine unter dem Kopfkissen, sondern Bankguthaben und Spareinlagen, z.B. auf dem Giro- oder Tagesgeldkonto. Wenn man die Inflation außen vor lässt, sind diese Einlagen nicht volatil und beinhalten praktisch fast kein Ausfallrisiko. Das gilt zumindest für Einlagen bis 100 000 Euro, die durch die gesetzliche Einlagensicherung abgedeckt sind.

Neben den genannten traditionellen Anlageklassen gibt es weitere, alternative Klassen wie Immobilien, Rohstoffe oder Kunstwerke. Ich persönlich zähle auch Kryptowährungen wie Bitcoin oder P2P-Kredite zu den Anlageklassen, wobei diese mit sehr hohen Risiken verbunden sind und vor allem Kryptowährungen überaus volatil sind. Ich nutze diese daher nur als kleine Beimischung im einstelligen Prozentbereich meines Portfolios. Sie sind nicht Thema dieses Leitfadens.

Strategie Teil 1: Streuung (Diversifikation) über Anlageklassen

Um ein Klumpenrisiko zu vermeiden und die Risiken möglichst breit zu streuen, d.h. zu diversifizieren, müssen wir uns Gedanken zum Anteil der jeweiligen Anlageklassen an unserem Vermögen machen (eng. Asset Allocation).

Folgende Fragen sollte sich jeder stellen:

Inwieweit kann ich als  Investor einen kurz- und ggf. mittelfristigen Vermögensverlust von 40% oder gar mehr Prozent verkraften?

Wie weiter oben schon beschrieben  ist ein solcher Kursverlust bei Aktien in Crash-Szenarien durchaus möglich.

Würde mich ein solches Szenario um den Schlaf bringen?

Benötige ich in naher Zukunft Geld für neue Anschaffungen, z.B. ein neues Auto oder sogar eine Immobilie?

Doch der Reihe nach.

Wie hoch sollte die Bargeld-Quote sein?

Bevor man überhaupt an das Investieren am Aktienmarkt denkt, sollte jeder zumindest über mindestens drei Netto-Monatsgehälter als liquides Bankguthaben verfügen. Das gibt einem zumindest eine gewisse Grundabsicherung im Fall von Arbeitslosigkeit. Außerdem sorgt es dafür, dass man die sprichwörtliche neue Waschmaschine direkt aus den Bargeld-Reserven zahlen kann und nicht an sein Aktiendepot muss. Dieses ist zwar auch liquide, wenn ich aber Pech habe, muss ich Aktienwerte mit Verlust verkaufen, um meine Kosten decken zu können.

Darüber hinaus muss ich mir Gedanken zu meinen Zukunftsplänen machen. Plane ich zum Beispiel in den nächsten 5 Jahren eine Immobilie zu erwerben, muss ich das mit einrechnen und meine Bargeld-Quote als auch kurz- und mittelfristig sichere und liquide Reserve tendenziell eher erhöhen. 

Die Aktien-Quote: Wie viel kurzfristiges Risiko darf es sein?

Habe ich meine persönliche Minimum-Bargeld-Quote zur Deckung von Notfällen und Zukunftsplänen definiert, gilt es, die Aktienquote zu bestimmen – also den Anteil meines Vermögens, der am Aktienmarkt angelegt werden sollte. Um es nochmals zu betonen: Es geht hier um die Langfristigkeit und einen Zeithorizont von mindestens 10-15 Jahren, die ich bereit bin, auf mein Kapital zu verzichten. Grundsätzlich gilt: Je jünger ich bin, desto höher kann die Aktienquote tendenziell sein, denn ich habe im Idealfall noch viele Jahrzehnte Zeit, auch mal schlechte Zeiten, d.h. Crashs oder Bärenmärkte, auszusitzen. 

Nicht zu vernachlässigen sind zudem die oben angeschnittenen psychologischen Faktoren. Wie würde ich mich im Falle eines Crashs und einem Verlust von 40% fühlen? Ich persönlich habe eine relativ hohe Aktienquote von 80% – zum einem psychologischen der Disposition geschuldet und zum anderen der vielen Jahrzehnte (Arbeits-)Leben, die hoffentlich noch vor mir liegen.

Beispiel: Aktienquote meines Portfolios

Ich habe 80% meines Vermögens in Aktien investiert. Bei dem Marktcrash im März 2020 sind meine Aktienwerte um ca. 40% eingebrochen. Bei der Aktienquote von 80% ist mein Gesamtvermögen also um 32% geschrumpft. Das ist für mich noch aushaltbar und hat mir keine schlaflosen Nächte bereitet.

Die Anleihen-Quote: Anker des Portfolios

Traditionell fungieren Anleihen, die wie beschrieben tendenziell risikoärmer und weniger volatil sind, als eine Art Anker oder Sicherheitsnetz für das eigene Aktienportfolio. Es geht also nicht um die Maximierung der Rendite, sondern um das Abfedern von Verlusten in Bärenmärkten oder bei Crashs. Neben des generell besseren Risikoprofils kommt zudem zum Tragen, dass Anleihenkurse nur schwach mit dem Aktienmarkt korrelieren, oftmals sogar negativ. 

Das Problem derzeit ist, dass es für Anleihen hoher Bonität (=gutes Rating), auf die wir uns im Rahmen der langfristigen Strategie fokussieren sollten, vor allem in Europa gerade kaum Zinsen gibt. Staatsanleihen von Ländern wie Deutschland haben sogar einen Negativ-Zins. Daher muss man sich fragen, ob Anleihen noch Sinn machen oder ob man sein Geld nicht auf dem sicheren Tagesgeldkonto lässt. Ich persönlich bin zum Teil auf kurzfristige US-Staatsanleihen ausgewichen, wobei man hier das Wechselkursrisiko nicht vergessen darf. Der Rest liegt auf dem Tagesgeldkonto. Mehr zum Thema “Anleihen” findet ihr in diesem Artikel.

Strategie Teil 2: Streuung (Diversifikation) innerhalb der Anlageklasse Aktien

Neben der Streuung des Vermögens zwischen den Anlageklassen, ist eine Streuung innerhalb des Anlageklassen essentiell. Hier konzentrieren wir uns auf den Bereich der Aktien, wobei die Logik auch auf Anleihen angewendet werden kann.

Einzelaktien & Risikominimierung durch Aktienfonds

Grundsätzlich unterscheiden wir zwischen Einzelaktien, also Aktien einzelner Unternehmen, und Aktienfonds. Aktienfonds kann man sich als Korb vorstellen, in dem viele verschiedene Aktien, teilweise tausende, liegen. 

Investieren wir nun in einen Aktienfonds, kaufen wir auf einen Schlag kleine Anteile von all diesen Unternehmen. Das hat den großen Vorteil, dass wir das Risiko mit relativ einfachen Mitteln streuen können – und das nicht nur über verschiedene Unternehmen, sondern auch über Branchen und Ländergrenzen hinweg. 

Der Fokus auf Einzelaktien ist weitaus risikoreicher sowie in aller Regel auch mit mehr Zeitaufwand verbunden, da man das jeweilige Unternehmen detailliert analysieren sollte, bevor man eine die Investitionsentscheidung trifft. Das ist nicht nur aufwändig, sondern erfordert auch weiteres Know-How.

Natürlich kann man im Einzelfall mit Einzelaktien eine höhere Rendite als mit Aktienfonds erwirtschaften. Grundsätzlich halte ich es aber für die allermeisten Privatanleger für sinnvoller und renditeträchtiger, zumindest den Großteil ihres Aktienvermögens in Fonds zu investieren.

Da mir persönlich das Investieren in Einzelaktien Spaß macht und ich gerne unternehmerisch denke, halte ich einen sehr kleinen Teil meines Vermögens auch in diesen. Ich betrachte das eingesetzte Kapital aber eher als Spielgeld – und will damit auch zumindest die theoretische Chance am Leben behalten, irgendwann einmal einen “Schwarzen Schwan” zu treffen.

Was ist der Unterschied zwischen aktiven Fonds & passive Fonds (ETFs)?

Haben wir uns nun für das Investment in Aktienfonds entschieden, gibt es zwei Möglichkeiten: Die Auswahl eines aktiven oder passiven Fonds. 

Unter aktiven Fonds verstehen wir vereinfacht gesagt einen Fonds, der von einem Fondsmanager betrieben wird. Dieser analysiert den Aktienmarkt und wählt einzelne Aktien aus, die den Fonds bilden. Das Ziel ist, den so genannten Markt, also zum Beispiel die Performance eines Indizes wie den DAX, zu schlagen. 

Ein passiver Fonds – auch ETF oder Indexfonds genannt – ist computergesteuert und bildet in der Regel einen Vergleich-Index ab. So gibt es zum Beispiel ETFs, die die Performance des DAX abbilden – steigt der Dax, steigt der Wert des Fonds und umgekehrt. Es wird also gar nicht erst versucht, den Markt zu schlagen, es soll lediglich sichergestellt werden, mindestens genauso gut zu performen. Die Vorteile eines ETFs liegen auf der Hand: Dadurch, dass kein aktives Management stattfindet, sind die Kosten weitaus niedriger als bei aktiven Fonds. Darüber hinaus sind sie sehr transparent und streuen das Risiko sehr gut, vor allem große ETFs wie der MSCI World mit seinen über 1600 enthaltenen Unternehmensaktien.

Geografische & branchenübergreifende Diversifikation

Der wichtigste Schritt zur Risikostreuung innerhalb der Aktienklasse ist der Fokus auf Aktienfonds. Für die Streuung über viele verschiedene Unternehmen ist damit gesorgt. Allerdings gilt es darauf zu achten, sich nicht zu sehr auf ein Land oder eine Region zu versteifen. Oft kommt hier die sogenannte Home Bias ins Spiel, das heißt der Fakt, dass Anleger dazu tendieren, verstärkt in ihrem Heimatland zu investieren. Aus der Risikoperspektive ist das gefährlich. Vielmehr sollten wir dafür sorgen, über Länder- und sogar Kontinentgrenzen hinweg zu investieren.Es macht also in der Regel keinen Sinn, in fünf verschiedene Aktien-ETFs in Deutschland zu investieren.

Auch sollten wir uns nicht zu sehr auf bestimmte Branchen fokussieren. Die Tatsache, dass eine bestimmte Branche, zum Beispiel Tech, in den letzten Jahren überdurchschnittlich gut performt hat, heißt noch lange nicht, dass es in der Zukunft so weitergeht, vor allem da in den Aktienkursen zum Zeitpunkt X immer schon alle gegenwärtig verfügbaren Informationen eingepreist sind (das heißt konkret, dass ich schlauer sein sollte als der Markt, zum Beispiel weil ich über tiefes Branchenwissen verfüge, um auf einzelne Branchen-ETFs zu setzen).   Daher gilt auch hier: Für die allermeisten Privatanleger ist es mehr als sinnvoll, ETFs zu besparen, die über viele verschiedene Branchen hinweg investieren.

Beispiel: Streuung anhand des BIPs

Auf Basis der Brutto-Inlandsprodukte habe ich die großen Regionen der Welt (Nordamerika, Europa, Schwellenländer, Asien-Pazifik) gewichtet und mir passende, über branchengrenzen diversifizierte ETFs herausgesucht, die ich regelmäßig bespare. Wie ich mir diese ETFs konkret aussuche, worauf ich achte und damit meine Strategie umsetze, schauen wir uns nachfolgend an.