Über die Vorteile des passiven Investierens habe ich bereits im Anlegerleitfaden gesprochen. Um jedoch fundiert und eigenständig Investitionsentscheidungen zu treffen, ist es wichtig, sich auch mit den Schwächen und Nachteilen von ETFs zu beschäftigen. Daher beantworte ich in diesem Artikel die Frage:
Welche Nachteile haben ETF Fonds und wie sind diese einzuordnen?
1. Keine Überrendite möglich durch ETFs
Da es die Aufgabe der allermeisten ETFs ist, die Performance ganzer Märkte oder eines Vergleichsindizes abzubilden, liegt es in der Natur der Sache, dass ihr mit ETFs nicht mehr Rendite als der Markt erzielt. Die zu erwartende Rendite von ETF Fonds ist also durchschnittlich, wobei das mehrheitlich ein Erfolg ist: Die allermeisten aktiven Fonds performen langfristig unterdurchschnittlich und sind passiv gemanagten Fonds unterlegen (schaut euch zu diesem Thema z.B. die SPIVA Scorecard von Standard & Poor’s an). Wer sich allerdings eher zu den Spekulanten zählt und ausschließlich auf Überrenditen aus ist, sollte den Mainstream vermeiden und auf Einzelaktien oder aktive Fonds setzen, auch wenn eine unterdurchschnittliche Performance weitaus wahrscheinlicher ist als eine überdurchschnittliche.
2. Man investiert automatisch in schlechte Aktien
Ein Nachteil des Investierens in ETFs ist der, dass man automatisch in schlechte Aktien investiert. Beispiele aus dem deutschsprachigen Raum der jüngsten Vergangenheit sind Wirecard oder die Deutsche Bank, die Teil des DAX waren bzw. sind und somit auch Teil eines DAX ETF. Dieser Nachteil liegt auf dem ersten Blick auf der Hand, allerdings müssen wir uns hier fragen, was die Alternative wäre. Richtig, das aktive Auswählen von Einzelaktien (oder das Investieren in aktive Fonds) auf Basis dessen, was ihr selbst als gute und vielversprechende Aktie identifiziert. Und genau diese Unterscheidung zwischen guten und schlechten Aktien ist selbst für die Mehrheit der Profis dauerhaft nicht möglich. Daher würde ich die Argumentation umdrehen: Dadurch, dass wir in ETFs investieren, gehen wir sicher, dass wir auch in gute Aktien investieren.
3. Abwärtsspirale im Crash
Ein weiterer Kritikpunkt, der oft genannt wird, ist die Abwärtsspirale im Falle von Crashs an den Börsen. Die Argumentation geht ungefähr so: Bei einem Crash läuft man ins offene Messer, wohingegen ein aktiver Anleger reagieren und so Verluste vermeiden kann – wobei ein ETF-Investor seine passive Strategie natürlich auch kurzzeitig verlassen und ETFs verkaufen könnte, wovon ich ausdrücklich abrate. Doch zurück zum aktiven Investor: Es ist möglich, dass dieser im Crash Verluste vermeidet, aber wie bereits erwähnt schlägt eine passive Anlagestrategie in aller Regel langfristig eine aktive, sodass die Verluste nicht von Dauer sein können. Außerdem stellt sich die Frage, ob und wie oft ein aktiver Anleger überhaupt in der Lage ist, den Aus- und dann den Wiedereinstieg korrekt zu timen. Es ist daher für die allermeisten sinnvoller, den Crash im Rahmen des Buy-and-Hold-Ansatzes auszusitzen und seine ETF-Positionen vielleicht sogar aufzustocken.
4. ETFs sind teurer als Einzelaktien
Der Unterhalt eines ETF-Portfolios scheint auf den ersten Blick kostenintensiver zu sein als ein reines Portfolio aus Einzelaktien. Das hat mit den jährlich anfallenden Gebühren zu tun, die an die Fondsgesellschaft zu zahlen sind. Mehr zu den Gesamtkosten (TER) findet ihr hier. Allerdings fallen in der Regel erheblich mehr Transaktionskosten an, wenn wir uns über Einzelaktien selber ein risikominimiertes, diversifiziertes Aktiendepot über die verschiedensten Branchen und weltweiten Regionen aufbauen wollten. Eine Großzahl an manuellen Orders sind notwendig, die sich auch über die Lebenszeit des Portfolios strecken würden, da man ständig dabei wäre, ein so genanntes Rebalancing zu betreiben. Außerdem neigen aktive Anleger generell eher dazu, öfter zu handeln und zu verkaufen, was die Kosten nochmals nach oben treibt.
5. Marktverzerrung als Nachteil von ETFs
Da ETFs stur einen Index nachbilden, werden die Kurse verzerrt. Von diesem systemischen Nachteil hört man zumindest oft. Und da ist durchaus etwas dran: Es geht nicht mehr um das Evaluieren von Chancen und Risiken einzelner Unternehmen, um darauf basierend Investitionsentscheidungen zu treffen. Vielmehr orientiert man sich am Index: Steigt die Gewichtung eines Unternehmens daran, investiert der ETF naturgemäß automatisch mehr in dieses Unternehmen, sodass alleine dadurch die Kurse (weiter) steigen. Allerdings ist es so, dass der Gesamtanteil an ETF-Handelsvolumen immer noch sehr gering ist und daher nicht die ganz großen Auswirkungen hat. Aber zugegeben: In den letzten Jahren ist aber ein relativ starkes Wachstum in diesem Bereich zu sehen, sodass die Auswirkungen in Zukunft größer werden dürften. Doch selbst wenn das so sein kommen würde, ist das kein Grund zur Beunruhigung. Die Tatsache, dass Kurse einzelner Unternehmen zumindest kurzfristig verzerrt sind, bedeutet, dass es mehr Unternehmen geben wird, die über- oder unterbewertet sind. Das wiederum eröffnet offenkundige Chancen für aktive Anleger, sodass sich die Kurse dort einpendeln werden, wo der Gesamtmarkt sie sieht.
6. Fehlender Spaß
Zum Abschluss möchte ich einen Nachteil von ETFs nennen, der sehr persönlich und subjektiv ist. Zwar gehöre ich zu den Menschen, die sich langfristig möglichst risiko minimiert ein solides finanzielles Fundament aufbauen wollen. Das funktioniert am besten mit ETFs. Allerdings gebe ich zu, dass das Investieren in Einzelaktien teilweise mehr Spaß macht – zumindest auf meiner subjektiven Erfahrung heraus. Man fühlt sich gewissermaßen als Unternehmer und Anteilseigner des Unternehmens, analysiert dieses und identifiziert sich damit. Ich habe vor vielen Jahren zum Beispiel in Coca Cola investiert und freue mich immer noch jedes Mal darüber, Coca Cola Dosen im Supermarkt zu sehen. Und auch die Dividende fühlt sich gut an. Daher habe ich für mich entschieden, einen sehr geringen Anteil meines Portfolios in ausgewählte Einzelaktien zu investieren. Ich sehe das aber eher als Hobby an. Der Fokus liegt auf meinem ETF-Portfolio.
Zusammenfassung
Auf der einen Seite – und das ist der Großteil – gibt es eine Reihe an Nachteilen von ETFs, die sich auf den zweiten Blick als wenig relevant erweisen. Auf der anderen Seite gibt es aber auch Nachteile, die eher als gerne zu zahlender Preis für die zu erwartende Rendite zu sehen sind – wie zum Beispiel die nicht zu erwartende Überrendite oder auch der subjektiv empfundene geringere Spaß am Investieren.